NCV Nieder Wöllstadt

Über Klorollen zum Schlüssel
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Nachdenkliches zum Hanau-Attentat beim Rathaus-Sturm

Beim Sturm aufs Alte Rathaus durch den Nieder-Wöllstadter Carnevals-Verein" (NCV) gab’s zwei Neuerungen: Erstens wirkte eine Delegation des Wöllschter Narren-Clubs (WNC) aus Ober-Wöllstadt mit. Und zweitens übergab Bürgermeister Adrian Roskoni (parteilos) den Schlüssel nicht kampflos nach einem Gardetanz, sondern hatte diffizile Aufgaben mitgebracht.

Diese waren so kompliziert, dass der NCV-Präsident Siggi Freienstein sie unmöglich alleine hätte lösen können, sondern auf die Hilfe seines WNC-Amtsbruders Marcel Heller angewiesen war. Die vereinigten Elferräte wurden unter Aufbietung aller ihrer Kräfte den - ja fast schon inhuman anmutenden - Anforderungen gerecht. Zuerst waren mit Konfetti gefüllte Luftballons mittels einer Art Pickelhaube aufzustechen, dann mussten rohe Eier mit Löffeln balanciert werden. Als Freienstein und Heller endlich eine Toilettenpapierrolle ab- und wieder aufrollten, trieb der Wind die Bahnen weit ins Firmament, so dass sich - wie bei der antiken Seeschlacht von Salamis - die Sonne zu verfinstern schien.

Mit viel Geschick beseitigten die beiden Präsidenten alle Hindernisse. Nun durften sie die Siegertreppe betreten, bekamen den Rathausschlüssel samt Sekt und strahlten dazu. Sie bekannten, jetzt, wo sie erfahren hätten, wie förderlich Zusammenarbeit ist, würden sie ihr Lebtag lang immer weiter kooperieren und sich von diesem Weg nicht mehr abbringen lassen. Das Kinderprinzenpaar Jana I. und Philipp I., welches seit fünf Jahren im Amt ist, grüßte und verteilte zur Freude ihrer Altersgenossen Süßigkeiten.

Die Garde "Twisters" tanzte und der Musikzug Nieder-Wöllstadt spielte beherzt auf. Ganz Wöllstadt war jetzt sozusagen ein Herz, eine Seele und ein Gemeinwesen, das von einen einzigen, der Harmonie und der Freude geweihten Geist erfüllt war. Nach dem Attentat von Hanau war nicht klar, dass es so kommen würde. Doch Roskoni und Freienstein erklärten, der Gemeindevorstand und der NCV hätten sich darüber verständigt, dass nicht ein einzelner, bösartiger und verwirrter Rechtsradikaler das Denken der Menschen bestimmen dürfe.

Jetzt gelte es, zusammenzustehen, weiter miteinander zu reden und für die freiheitliche Ordnung einzutreten. Hasspredigern dürfe man nicht das Feld überlassen. Wer sich jetzt aus dem Diskurs zurückziehe und Veranstaltungen absage, mache genau das, was die Feinde der Demokratie erreichen wollten. Fazit vor der Gedenkminute: "Wir lassen uns nicht unser Miteinander verderben!"

Quelle: Wetterauer Zeitung 24.02.2020

Verfasser: Udo Dickenberger